Mehr Demokratie e.V. hat eine Umfrage unter den Landtags-Direktkandidaten der Parteien gestartet und diese gefragt, wie sie zur Weiterentwicklung der direkten Demokratie in Hessen stehen. Die Ergebnisse für meinen Wahlkreis 41 kann man sich hier anschauen, wo es auch die Möglichkeit gibt, kritisch nachzufragen bzw. die Kandidierenden zur Teilnahme aufzufordern. Selbstverständlich kann man von dort aus auch die anderen Wahlkreise erreichen.

„Banken außer Kontrolle – Wie die Politik uns in die Krise führte“ lautet der Titel einer überaus sehenswerten Reportage, die das 3. Hessische Fernsehen gestern ausstrahlte. Die Filmautoren Julia Klüssendorf und Stefan Jäger zeigen darin, wie alle Regierungen in Deutschland seit den neunziger Jahren die vorhandenen Alarmsignale ignoriert haben. Wie fast zu erwarten stand: In der Mediathek ist er nicht zu sehen, lediglich eine kurze Zusammenfassung ist online zu lesen.

Besonders beeindruckend fand ich darin, was die relevanten Finanzminister Lafontaine, Eichel, Steinbrück und Schäuble zu berichten wussten, allem voran der aktuelle SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Der erzählte, fast möchte ich sagen: ungeniert, wie sein Krisenmanagment aussah, nachdem der drohende Zusammenbruch der IKB und damit die Folgen der unter der Regierung Kohl begonnenen und von der rot-grünen Schrödertruppe massiv betriebenen Deregulierung der Finanzmärkte erkennbar wurden. Völlig selbstverständlich konferierte Herr Steinbrück umgehend mit … den Köpfen der deutschen Banken. Also exakt mit den Managern, die die ganze Krise hauptsächlich zu verantworten hatten. Und die jetzt händeringend Geld brauchten, um die Folgen ihres Managements abzufedern. Genau die fragte also Herr Steinbrück in seiner Eigenschaft als Bundesfinanzminister, was jetzt zu tun sei. Nicht etwa internantional anerkannte Wirtschaftsprofessoren oder nicht betroffene Fachleute. Die Folgen sind bekannt.

Man mag sich überlegen, wie eine solche Form des Krisenmanagements in anderen Ressorts aussähe. Wenn der Bundesarbeitsminister auch die Arbeitslosen fragen würde, wie er angesichts deren Arbeitslosigkeit tun soll. Ob dieser deren dringendem Rat, einfach mehr Arbeitslosengeld zu zahlen, auch so selbstverständlich Folge leisten wüde?

Bereits weit über 70 Mrd. € hat diese Politik den Steuerzahler bis heute gekostet, ein Ende ist nicht in Sicht. Was bemerkenswerter Weise auch Herr Steinbrück nach eigenem Bekunden im Zusammenhang mit der Schieflage der Hypo Real Estate bemerkte: Das geht ja immer weiter! Und dennoch schiebt man auf Ratschlag derer, die das Geld verzockt haben und es jetzt brauchen, immer weiter Geld nach.

Wenn man es nicht besser wüsste, man könnte den Diplom-Volkswirten Peer Steinbrück und seine Kollegen für naiv halten, weil sie den Bock zum Gärtner machen. Aber das sind sie nicht, weder Herr Steinbrück noch Frau Merkel noch andere involvierte Politiker sind derart blauäugig. Sie wissen genau was sie tun. Und sie wissen, dass sie ebenso wenig zur Verantwortung für ihr Handeln gezogen werden wie die Banker, die erst Milliardengewinne erspekulierten (die selbstredend in private Taschen flossen und dort ebenso selbstverständlich bleiben) und später noch größere Verluste einfuhren, zu Lasten der Steuerzahler und seiner Kinder und Enkel und Urenkel.

Eine Frage allerdings blieb leider auch in dieser Reportage ungestellt: Wo ist eigentlich das ganze Geld hingeflossen? Zwar spricht man in diesem Zusammenhang ja gerne vom „Verbrennen“ des Geldes, aber diese Metapher täuscht ja gewaltig. Geld fließt, von einer Tasche in die andere. Des einen Verlust ist des anderen Gewinn. Mehr 70 Mrd. € Steuergelder müssten demnach in private Taschen geflossen sein, sie wurden im wahrsten Sinne des Wortes „privatisiert“. Deren Verbleib wäre so eine Frage, die ich an Herrn Steinbrücks Stelle den Bankern gestellt hätte. Und nicht, wie man diese Umverteilung auch noch staatlich absichert.

 

Update:

Die Doku kann doch noch angeschaut werden, sie findet sich  in der ARD-Mediathek. Vielen Dank an @bilbo_b für den Hinweis!

Unter dem Titel „Der geschätzte Kunde – Brauchen wir mehr Datenschutz?“ hatte HR-Info am 3. Juli zu einer Podiumsdiskussion geladen. Diskutanten waren neben dem HR-Redakteur Henning Steiner der Datenschutzbeauftragter des Landes Hessen, Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Christian Horchert (@fukami), Dr. Thomas Riemann, Geschäftsführer des Verbands der Handelsauskunfteien (VdH), Dieter Weng, Präsident des Deutschen Dialogmarketing Verbands (DDV) und Carsten Knop, Journalist, verantwortlicher Redakteur  für die Unternehmensberichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Autor des Buches „Amazon kennt Dich schon: Vom Einkaufsparadies  zum Datenverwerter“
An dieser Veranstaltung nahmen, wenn auch nur im Publikum, mit Alexander Schnapper und mir zwei Vertreter der Piratenpartei Hessen teil. 
Zur Eröffnung präsentierte der HR-Redakteur Henning Steiner die Ergebnisse seiner Anfragen an Unternehmen, welche Daten über ihn gespeichert werden. Es zeigte sich, dass ein einziger Einkauf bei book.de zum Datenaustausch zwischen knapp einem Dutzend Unternehmen führte, die zum Teil ausserhalb Deutschlands sitzen und folglich nicht den hiesigen Datenschutzregeln unterliegen.
Leider fokussierte sich das Gespräch dann recht schnell auf den Datengiganten Amazon, so dass vorrangig die Frage des Kundenscorings diskutiert wurde. Hiefür warben die beiden teilnehmenden Lobbyisten Vertreter der Datenhandelsverbände, die Herren Dr. Riemann und Dieter Weng für Verständnis. Sie machten den Gesetzgeber verantwortlich für die Datensammelwut vieler Unternehmen und hoben die vermeintlich berechtigte Interessen der Unternehmen an der Bonität der Kunden hervor.
Bemerkenswert war hierbei vor allem die Aussage von Dr. Thomas Riemann, Geschäftsführer des Verbands der Handelsauskunfteien (VdH), der vorgab, das sogenannte Geoscoring abzulehnen. Andererseits hielt er aber eine Bewertung auf Basis von nur drei Daten für akzeptabel. Die Nachfrage, dass dann die naheliegende und seiner Ansicht nach ausreichende Verknüpfung von Name, Adresse und Geburtsdatum de facto Geoscoring sei, ließ er unbeantwortet.
Insgesamt stellte sich die Veranstaltung als reine Scheindiskussion dar. Probleme wie Prism und Tempora wurden als Randnotiz erwähnt, ohne ernsthaft angesprochen zu werden. Auch die Problematik des Handels mit Daten der Einwohnermeldeämter fand keine Erwähnung, ebenso wenig die Möglichkeiten der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen. Vor allem Dieter Weng hob immer wieder den vermeintlichen Nutzen für die Kunden hervor, denen durch die Datensammlungen immer besser angepasste Angebote gemacht werden könnten.
Enttäuschend agierte der hessische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, der sich im Kern darauf zurückzog, die datenschutzrechtlichen Bestimmungen seien ausreichend und gut.
Einzig @fukami und dem Journalisten Carsten Knop gelang es zwichendurch, die Probleme des Datenhandels, wie sie sich aus Verbrauchersicht ergeben, einzubringen und vor allem dem vermeintichen Kundennutzen zu widersprechen.
Erst die abschließende Öffnung der Diskussion ins Publikum brachte dann kritische Fragen zu den überwiegend oberflächlichen Argumenten und Positionen der Podiumsdiskutanten.
Fazit: 
Für Menschen, die sich bis dahin noch nicht mit dem regen Datenhandel und  Datenaustausch beschäftigt haben, war dieser Abend trotz der schwachen Diskussion ein guter Einstieg. Vor allen die eindrucksvolle Präsentation von Henning Steiner über seine Datenrecherche öffnete sicher manchem die Augen. Leider schaffte es die anschließende
Diskussion dann aber nicht, über Fragen des Scorings und dem Werbemutzen von Kundendaten hinaus zu kommen.
Update:
Die gesamte Diskussion kann man sich übrigens auch hier anschauen.

Hier noch auf ausdrückliche Bitte das Manuskript meiner Rede bei der heutigen Demonstration gegen die Bestandsdatenauskunft:

Ahoi Piraten,
ahoi Datenschützer,

seit 11 Jahren befindet sich unser Land in einem nie erklärten Krieg. Seit 11 Jahren sieht sich der freiheitlich demokratische Rechtsstaat ununterbrochenen Angriffen ausgesetzt, die immer wieder punktgenau auf seine Grundwerte gerichtet sind. Diese Angriffe kommen aber nicht von außen. Vielmehr sind es die eigenen Regierungen, die Jahr für Jahr, Innenminister um Innenminister mit einem wahren Trommelfeuer an Überwachungsgesetzen versuchen, die altehrwürdige Festung Grundgesetz sturmreif zu schießen.

Kaum eine Waffe scheint ihnen dabei zu hart zu sein. Sei es die Durchsuchung unserer Computer, sei es die Vorratsdatenspeicherung, ja sogar die Erlaubnis zum Abschuss ziviler Passagierflugzeuge – oftmals konnte nur noch das Bundesverfassungsgericht schlimmstes verhindern.

Seit dem 22.03. läuft nun unter dem Begriff „Bestandsdatenauskunft“ die nächste Attacke auf unsere Bürgerrechte. An diesem Tag hat der Bundestag ein Gesetz durchgewunken, das unzähligen Behörden den Zugriff auf private Zugangs- und Identifikationsdaten bei Telekommunikation im Internet und per Telefon, auf Passwörter (wie z.B. von E-Mail-Accounts), PIN/PUK-Nummern bei Handys und die namentliche Identifizierung von IP-Adressen im Netz erlaubt. Und das nicht etwa bei Terrorverdacht – bereits in Ordnungswidrigkeitenverfahren sollen diese Möglichkeiten bestehen.

Der gläserne Bürger – Falschparken macht’s möglich!

Da wird dann auf den Richtervorbehalt verwiesen. Dass der keineswegs obligatorisch ist, wird schamvoll verschwiegen. Und was der in Deutschland regelmäßig wert ist, wissen wir alle. Treffend hat der Rechtsanwalt und Blogger Thomas Stadler die hierfür zuständigen Ermittlungsrichter als „Urkundsbeamte der Staatsanwaltschaft“ beschrieben: Oft genug unterschreiben sie vorgelegte, vorbereitete Beschlüsse ohne nennenswerte Prüfung.

Ich bin Jahrgang 1967. Aufgewachsen bin ich in einem Deutschland, das in zwei Staaten geteilt war. Wir hier im sog. „Westen“ haben damals verstört und entsetzt beobachtet, wie jenseits der Mauer ein Staat existierte, der so sehr um die Staatssicherheit besorgt war, dass er seine Bürger bespitzelt hat und in jedem Menschen einen potenziellen Feind gesehen hat. Nicht einmal 25 Jahre ist das jetzt her und schon wieder will eine Regierung unter dem Vorwand der Sicherheit des Staates das Leben seiner Bürger durchleuchten.

Eines habe ich damals begriffen: Der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat und der Überwachungsstaat haben genau eine einzige Sache gemeinsam: die Grenze, die sie voneinander trennt. Wo es den einen gibt, kann der andere nicht sein!

Jetzt muss die Bestandsdatenauskunft noch durch den Bundesrat. Der entscheidet am 03. Mai über dieses Überwachungsmonster. Und schon vorab haben die Bundesländer signalisiert, nicht dagegen stimmen zu wollen. Einzig Niedersachsen hat seine Enthaltung angekündigt.

Dass für unsere schwarz-gelbe Landesregierung Bürgerrechte keine Bedeutung haben, kann uns kaum überraschen. Zumal gerade die selbsternannten „Liberalen“ bestenfalls vage Erinnerungen an ihre Zeit als Bürgerrechtspartei haben. Aber dass auch fast alle rot-grün regierten Bundesländer ein solches Gesetz ermöglichen, macht deutlich: Auch in diesen Parteien finden die Rechte der Bürger nur in Sonntagsreden statt. In ihrer Politik haben sie allerdings nichts verloren.

Lasst uns dennoch darum kämpfen, dass sich der Überwachungsstaat nicht weiter verbreitet. Lasst uns zeigen, dass wir nicht bereit sind, uns unsere Rechte immer weiter nehmen zu lassen, wegen einer fiktiven Sicherheit, die es nicht gibt. „Wer seine Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren!“

Unsere Daten gehören uns und sie sind unsere Freiheit! Kein Fußbreit dem Überwachungsstaat!

Eines muss man unserer Regierung lassen: Sie handelt zuweilen weitaus eleganter als dies in früheren Jahren üblich war. Aktuelles Beispiel: Die mediale Berichterstattung über „Verschlusssachen“ zur Bundeswehr. Die hat man heute genauso ungern wie vor 50 Jahren und nach wie vor geht man dagegen vor. Nur eben nicht nicht mehr mit dem Holzhammer wie das etwa Franz-Josef Strauß seinerzeit tat. Der eine oder andere wird sich der sogenannten „Spiegel-Affäre“ erinnern, als man mal eben die Redaktionsräume des Blattes durchsuchen und den Chefredakteur in Untersuchungshaft nehmen lies.

Wie gesagt, heute geht das eleganter: Man mahnt wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung ab. Die hiervon betroffene WAZ hatte ihr zugespielte, als Verschlusssache deklarierte Berichte an den Verteidigungsausschuss auf ihrer Webseite veröffentlicht. Jetzt wurde sie vom Bundesverteidigungsministerium via Abmahnung dazu aufgefordert, diese Dokumente von der Internetseite der Zeitung zu entfernen.

Die WAZ wiederum zeigt sich renitent und kampfbereit: “Wir wollen uns nicht beugen. Die Papiere gehören allen Menschen in Deutschland, nicht dem Verteidigungsminister“, zitiert netzpolitik.org David Schravan, Leiter des Ressort Recherche der WAZ.

Und so nimmt die Geschichte ihren Weg durch’s Netz, inklusive Hinweise auf weitere Seiten im weltweiten Netz, auf denen sich die Dokumente auch noch finden lassen.

Vielleicht hätte das Bundesverteidigungsministerium vor Versendung der Abmahnung den Streisand-Effekt recherchieren sollen.

Operation Störerhaftung

29. März 2013

Eine juristisch sehr spannende Auseinandersetzung führt derzeit der Freifunk-Rheinland e.V. unter dem Begriff „Operation Störerhaftung“. Der Verein betreibt ein sog. Freifunknetz, das mittels diverser Sicherungssysteme gegen Filesharing via p2p gesichert ist. Ende vergangenen Jahres schlug allerdings eine ganze Serie von Abmahnschreiben auf, in denen angebliche Urheberrechtsverletzungen behauptet werden, die über Anschlüsse des Vereins begangen worden sein sollen.

Dies nehmen die Freifunker zum Anlass, ihre Sicherungssysteme, die ja gerade zur Vermeidung solcher Verstöße installiert wurden, ggf. auch gerichtlich überprüfen zu lassen. Immerhin hat der Bundesgerichtshof ja schon einmal etwas dazu gesagt, dass die sog. Störerhaftung (d.h. die juristische Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers für Rechtsverstöße anderer) durch Ergreifen von Sicherungsmaßnahmen ausgeschlossen sein kann.

Einzelheiten und regelmäßige Updates finden sich auf der Webseite des Vereins, einschließlich eines Gastbeitrages, den ich hierzu verfassen durfte. Dort findet sich übrigens auch die Möglichkeit, die „Operation Störerhaftung“ finanziell zu unterstützen, um das Kostenrisiko des betroffenen Vereinsmitgliedes abzufangen.

Ich finde, die Sache hat es verdient unterstützt zu werden.

Wieder einmal werden Kinder missbraucht, um Überwachungssysteme politisch rechtfertigen zu können, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich mehr als zweifelhaft sind. Nachdem bislang vor allem Unionspolitiker, allen voran diverse Innenminister unter Ignorierung von Fakten für die Vorratsdatenspeicherung (VDS) geworben haben, hat sich jetzt auch Baden-Württembergs Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) in die Debatte eingebracht. Und weil offenbar die Faktenlage nach wie vor keine Argumente bietet, greift er auf Kinder zurück:

„Wir müssen ins Netz eingreifen und das Entdeckungsrisiko für jeden potenziellen Täter verstärken. Keiner darf sich sicher sein, dass er nicht entdeckt wird„, begründet er die vermeintliche Notwendigkeit der VDS zu effektiverem Schutz von Kindern im Internet. Die Bundesregierung müsse die EU-Richtlinie einer Vorratsdatenspeicherung endlich umsetzen.

Auch auf die Gefahr hin, Leser meines Blogs zu langweilen: Es gibt immer noch keine objektiven Erkenntnisse, wonach die VDS die Aufklärungsquote bei Straftaten nennenswert verbessern würde. Weil die Kriminalitätsstatistiken aus der Zeit mit VDS im Vergleich zur Zeit ohne VDS gerade keine höhere Aufklärungsquote ausweist. Wen es genauer interessiert: Darüber habe ich schon mal hier, hier und hier geschrieben. Offenbar weiß auch Herr Stickelberger um diese Erkenntnisse. Warum sonst müsste er jetzt für sein politisches Ziel angeblichen Kinderschutz als Scheinargument missbrauchen? Denn es ist nichts anderes als Missbrauch, wenn er so tut, als schaffte die VDS messbar mehr Sicherheit für Kinder. Das tut sie nicht.

Was sie tut: Sie schafft messbar mehr Überwachung. Nicht nur für Kinder. Für uns alle. Und erklärt alle Internet- und Telefonnutzer zu potenziell Verdächtigen. Allgemein, nicht nur für Straftaten gegen Kinder. Weil die VDS gerade nicht nur bei Verdacht von Kindesmissbrauch oder ähnlichem zum Einsatz kommen soll.

Aber darüber spricht er genauso wenig wie über die Auswertungen der Kriminalitätsstatistiken, der gute Herr Stickelberger.

Es ist nichts anderes als ein unwürdiges Schauspiel, das die FDP dieser Tage zum Thema Abgeordnetenbestechung liefert. Einer Gesetzesinitiative, die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung wenigstens auf eine UN-konforme Ebene zu heben, verweigern sich die selbsterklärten Liberalen im Bundestag. Die Korruptions­anfälligkeit des Bundestages sei gering, daher brauche es dazu keine Regelung, erklärte jüngst der Thüringer FDP-Bundestagsabgeordnete Patrick Kurth die Linie seiner Partei.

Damit offenbart die Partei ein durchaus bemerkenswertes Rechtsverständnis. Schaut man sich zum Beispiel das Strafgesetzbuch gerade im Bereich der §§ 80 bis 108e StGB an, sieht man schnell, dass dort weit überwiegend Straftatbestände versammelt sind, die in der strafrechtlichen Praxis keine allzu große Rolle spielen. Dennoch fordert niemand deren Abschaffung, einfach deshalb, weil ein Staat die Strafbarkeit eines Verhaltens richtigerweise nicht an den potentiellen Fallzahlen als vielmehr daran festmachen muss, wo er die Grenzen des gesellschaftlich tolerablen Verhaltens gezogen wissen will.

So betrachtet frage ich also: Was spricht dagegen, die Abgeordnetenbestechung in der Weise unter Strafe zu stellen, wie es mehr als 90% alle Staaten weltweit bereits tun? Auch und gerade wenn es in Deutschland wenig praktische Anwendungsfälle gäbe (was im übrigen mit guten Gründen bezweifelt werden darf), so bliebe immerhin das damit verbundene Statement: Wir lehnen die Korruption der Politik ab und verfolgen sie, sollte sie sich zeigen. Das hat auch nichts mit Symbolpolitik zu tun, sondern mit Rückgrat.

Wer es gerade als Politiker hingegen ablehnt, die Abgeordnetenbestechung zumindest in einem Maß unter Strafe zu stellen, wie es mittlerweile sogar die meisten afrikanischen Staaten tun, begegnet dem Verdacht, einfach nur die Konsequenzen zu fürchten. Oder, wie es eine Freundin spöttisch ausdrückte: „Kein Wunder, dass die FDP das ablehnt, das würde ihr ja die Lebensgrundlage entziehen!“

So sehen die Menschen in Deutschland die Politik. Auch darüber sollte Herr Kurth einmal nachdenken.

De hessischen Piraten berichten seit geraumer Zeit aus dem Hessischen Landtag – an Sitzungstagen, versteht sich. (Noch) von der Zuschauertribüne aus wurde so unter dem Hashtag #hlt bislang via Twitter verbreitet, was im Plenum so passiert. Der eine oder andere wird im vergangenen Jahr mitbekommen haben, wie dieses Recht – Twittern aus dem Landtag – auch erst einmal erkämpft werden musste.

Jetzt wurde sogar aufgerüstet: Wir machen einen Livestream! Wer Interesse und natürlich auch Zeit dafür hat, kann sich den morgigen Sitzungstag hier anschauen:

http://www.landtagstv.de/livestream_aus_dem_hessischen_landtag

Getreu dem Piratenmotto: Informier Dich! Selbst!

Irrweg

17. Januar 2013

Seit ein paar Tagen ist der Bundesvorstand der Piratenpartei wieder in der internen Diskussion und wie seit Monaten üblich geht es erneut um das Verhältnis des Vorstandes zur Basis.

Auslöser dieses Mal ist eine Vorstandssitzung, bei der der Vorsitzende Bernd Schlömer am Wochenende ankündigte, sein Stellvertreter Sebastian Nerz und er würden sich künftig häufiger zu politischen Fragen äußern, auch ohne zuvor darüber Beschlüsse der Partei abzuwarten. Ein Vorgang, den etwa die Frankfurter Rundschau als „Riskante Wende“ überschreibt.

Nach Einschätzung der Presse stellt dies den Versuch des Bundesvorstandes dar, auf die deutlichen Einbrüche zu reagieren, die die Umfragen in den vergangenen Monaten verzeichnet haben. Derzeit würden wir wohl bei keiner Wahl die 5%-Hürde nehmen.

Sollte dies wirklich der Hintergrund der Entscheidung von Bernd und Sebastian sein, darf, nein: muss die Richtigkeit dieser Überlegung bezweifelt werden. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte: Genau diese Tendenz in der politischen Linie der Piratenpartei ist es, die den Verlust der Wählergunst herbeiführt. Weil wir uns damit wieder einmal von etwas verabschieden, das die Piratenpartei besonders, andersartig und damit zu einer echten politischen Alternative gemacht hat. Erneut werfen uns Medien und Altparteien ein Stöckchen und wieder rennen Piraten diesem Stöckchen hinterher im eifrigen Bestreben, den an sie gerichteten Erwartungen gerecht zu werden.

Piraten sind angetreten, um die Politik grundlegend zu reformieren. Sie soll heraus aus den Hinterzimmern, transparent für alle Menschen und unter deren Beteiligung stattfinden. Eine solche Politik stellt Fragen, sie liefert keine fertigen Antworten. Wenn man Politik gemeinsam mit den Menschen machen will, braucht es keine Parteivorsitzenden, die erklären, was „alternativlos“ ist. Dann braucht es gesellschaftliche Diskussion statt Positionierung um jeden Preis.

Die Menschen haben dies im Herbst 2011 sowie in der Folgezeit verstanden. Sie haben erkannt, dass mit den Piraten eine vollkommen neue Art von Partei angetreten war, die sich dem klassischen Politikstil entgegengestellt hat. Die überzeugt war, dass Menschen in Diskussion mehr und bessere Lösungen für die Probleme unserer Zeit finden können, vor allem dann, wenn sie über parteiideologische Grenzen hinweg und mit möglichst viel Sachverstand arbeiten.

Und so folgten dem Wahlerfolg in Berlin solche im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen. Und all dies, obwohl Bundesvorstände in jeder denkbaren Talkshow zu Gast wieder und wieder erklärten, zur sog. „Euro-Krise“, zu möglichen weiteren Auslandseinsätzen der Bundeswehr und vielem mehr gebe es keine Position der Piratenpartei. Weil es die nicht brauchte – und weil dies viele Menschen wissen!

Machen wir uns nichts vor: Auch Frau Merkel, Herr Steinbrück, Herr Özdemir, Herr Rösler und alle ihre Kollegen wissen nicht, wie die Euro-Krise zu lösen ist. Ein Blick zu den Aussagen alleine der Kanzlerin in den vergangenen zwölf Monaten zeigt, dass sie keinerlei stringente Linie hat, was beredter Ausdruck von Hilflosigkeit ist. Und das merken auch die Menschen, zumal niemand ernsthaft glauben kann, eine kleine Gruppe von Menschen, noch dazu allesamt nicht fachkundig, hätten Patentrezepte für alle Probleme dieser Welt.

Es braucht also keine Parteien mit Vorsitzenden, die der Welt Antworten geben. Piraten versprachen, den neuen Ansatz zu liefern, bei dem zunächst Fragen gestellt werden, auf die die Gesellschaft als Ganzes Antworten entwickeln muss. Der Slogan „Wir sind die mit den Fragen“ brachte dieses neue Konzept auf den Punkt.

Nach der Berlin-Wahl war Christopher Lauer zu Gast bei Anne Will und führte die mit ihm anwesende Polit-Prominenz vor. Gerade weil er sich aus den parteiideologisch geführten Debatten heraushielt und stattdessen mit dem simplen Resümee punktete, dass die Diskussion der Profis viel eindrucksvoller zeigte als er selbst es hätte sagen können, warum die Politik Piraten braucht.

Seit Neumünster hat sich alles verändert. Wir wollen „echte“ Politiker sein und Antworten geben. Auch und gerade Vorstandsmitglieder erliegt der Versuchung, in einen Mantel zu schlüpfen, den ihnen Medien und Altparteien hinhalten. Und die Menschen in diesem Land sehen, dass sich auch mit Piraten nichts ändert; dass auch sie auf dem Weg sind, eine Partei wie all die anderen zu werden, bei der die Leitfiguren vor jedem Mikrofon Antworten auf alle Fragen parat haben. Die aufgehört haben, die Fragen selbst zu stellen.

Und so beginnen die Menschen sich zu fragen, warum sie Piraten wählen sollen. Denn das Spiel nach alten Regeln können die bekannten Köpfe weitaus besser.