Hof- und Gassenrock!
10. Juli 2016
Vielen Dank an alle, die gestern gemeinsam mit uns auf dem Hof Bernges abgefeiert haben! Bei bestem Wetter und noch besserer Stimmung war schnell der Gute-Laune-Pegel weit nach oben ausgeschlagen, und mit sang- und tanzkräftiger Unterstützung des Publikums wurde es auch für uns zu einem unvergesslichen Abend.
Einmal mehr hat sich gezeigt: Wer KIKTRON einmal life erlebt hat, kommt immer wieder!
Ich werde nicht kandidieren
21. Juli 2015
Nachdem ich jetzt wiederholt darauf angesprochen wurde, scheint es mir geboten, hier sozusagen öffentlich zu bekunden:
Ich werde nicht für das Bundesschiedsgericht kandidieren.
Hierfür gibt es im wesentlichen zwei Gründe.
Zunächst einmal muss ich klar erkennen, dass mir die für eine Tätigkeit im Bundesschiedsgericht erforderliche Zeit schlicht nicht zur Verfügung steht. Das aktuelle BSG listet auf seiner Seite 110 Verfahren in zwei Jahren auf. Bei zwei Kammern, die diese bearbeiten, bedeutet dies pro Kammer (und damit für jeden Richter) durchschnittlich 27,5 Verfahren pro Jahr, mithin mehr als zwei pro Monat. Jeder dieser Fälle will vorbereitet, diskutiert und entschieden werden, nicht wenige davon münden sogar in einer Verhandlung. In einem Drittel der Fälle kommt auf jeden Richter die Aufgabe zu, ein Urteil oder einen Beschluss zu schreiben. Das kann ich aufgrund meiner aktuellen Lebenssituation erkennbar nicht zuverlässig leisten.
Hinzu kommt, dass jedenfalls in den letzten beiden Jahren jedes Verfahren, in das ich entweder indirekt als Landesschiedsrichter oder direkt als Vertreter einer der Verfahrensparteien involviert war, zu Entscheidungen führte, die sich weder mit meiner Rechtsauffassung noch meinem Rechtsempfinden in Einklang bringen ließen. Diese völlig divergierenden Positionen würden für mich letztlich zur Folge haben, dass ich als Mitglied des BSG bei einer ähnlichen wie der aktuellen Besetzung voraussichtlich recht häufig Entscheidung mitzutragen hätte, die ich nicht unwidersprochen mitragen kann. In diesen Fällen sähe ich mich dann also häufig gehalten, abweichende Voten zu schreiben, was eine zusätzliche zeitliche Belastung darstellen würde und darüberhinaus eine Zerstrittenheit dokumentieren würde, die der ohnehin schwierigen Aufgabe des BSG nicht förderlich wäre.
Gerne werde ich indes weiter als Mitglied des Landesschiedsgerichts Hessen tätig, wo ich in den vergangenen gut eineinhalb Jahren in wechselnden Besetzungen uneingeschränkt kollegiale, sachorientierte und konstruktive Zusammenarbeit erleben durfte – und das bei einer letztlich sehr überschaubaren und damit für mich auch handelbaren Zahl von Fällen.
„Geschmiert“ gelaufen
5. August 2014
Leider ist es so gekommen, wie zu fürchten war: Das Landgericht München hat im Ecclestone-Verfahren der Einstellung zugestimmt. So haben wir jetzt die nicht nur für juristische Laien seltsame Situation, dass der Geldgeber durch erneute Geldgabe wegen allenfalls geringer Schuld straffrei bleibt, der Geldempfänger hingegen wegen Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall achteinhalb Jahre in Haft muss.
Man kann es drehen und wenden wie man will, die Zahlen in diesem Verfahren wollen irgendwie nicht zusammenpassen. 44 Millionen Euro (gab es schon einmal eine auch nur annähernd vergleichbare Bestechungssumme?) passen nicht zu einer vermeintlich geringen Schuld, eine Zahlungsauflage von 74 Millionen Euro noch viel weniger. Dass eine geringe Schuld sich so überhaupt nicht mit den achteinhalb Jahren des Geldempfängers verträgt, dürfte ebenfalls offensichtlich sein, auch wenn diesem wohl auch noch Steuerhinterziehung zu Last fiel. Aber vermutlich gilt in solchen Fällen: iudex non calculat…
Was uns bleibt ist ein fader Beigeschmack, Sarkasmus, es zu ertragen sowie die Erkenntnis, dass seit Ackermann & Co. offenbar die Preise deutlich angezogen haben.
Läuft alles „wie geschmiert“?
5. August 2014
Was derzeit vor dem Landgericht München vor sich geht, ist, mit den Worten der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gesprochen, eine „Frechheit“!
Dort verhandelt die Justiz darüber, ob Bernie Ecclestone einen Vorstand der BayernLB mit 44 Millionen bestochen hat, damit die Bank ihre Mehrheit an der Formel 1 verkaufte. Die Staatsanwaltschaft hat Ecclestone deswegen wegen Bestechung eines Amtsträgers und Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall angeklagt. Der Empfänger der 44 Millionen Euro wurde bereits zu einer Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt.
Aktuell hat die Verteidigung angeregt, das Verfahren gemäß § 153a StPO einzustellen gegen eine Zahlung von 100 Millionen Pfund, was rund 74 Millionen Euro entspricht. Und die Staatsanwaltschaft teilt heute mit, diesem Vorgehen zuzustimmen. Seit Tagen kochen deshalb die Emotionen im Netz und andernorts hoch: „Freikaufen“ vom Vorwurf der Bestechung klingt bestenfalls nach einer Meldung des „Postillion“, nicht aber nach justizieller Realität in diesem unserem Rechtsstaat.
Schon beeilen sich die Staatsmedien, den Vorgang „zurecht zu rücken“. Das ganze sei ein völlig alltäglicher Vorgang, der vor allem Otto Normalverbraucher zu Gute komme, kein Grund zur Annahme, hier würde wieder einmal ein Großer davonkommen, während man die Kleinen hänge.
Richtig ist, dass Einstellungen nach dieser Norm tatsächlich häufig vorkommen, allerdings beschränkt auf sogenannte „Bagatelldelikte“ mit allenfalls geringem Schaden und/oder wenig krimineller Energie. Ob man das bei einer Bestechung in dieser Größenordnung noch annehmen kann? Wohlgemerkt: Ob die Tat tatsächlich begangen wurde, bleibt in diesem Zusammenhang außen vor, weil die letztlich ausschlaggebende Entscheidung durch gerichtliches Urteil auf diesem Weg ja gerade verhindert wird.
Mir fällt dazu ein Fall aus meiner jüngsten Praxis ein:
Ein junger, in Deutschland geborener Türke will die deutsche Staatsangehörigkeit. Beim Antrag verschweigt er, dass er etwa ein Jahr zuvor wegen „Amtsanmaßung“ verurteilt worden war. Damals hatte er einen anderen Autofahrer angehalten und diesen als vermeintlicher Zivilpolizist „mündlich verwarnt“, nachdem er sich von ihm geschnitten gefühlt hatte. Natürlich kommt die Existenz dieses Urteils heraus und er fängt das nächste Verfahren wegen der falschen Angaben im Einbürgerungsantrag.
Die Folgen einer solchen zweiten Verurteilung wären enorm: Abgesehen davon, dass der junge Mann auf absehbare Zeit ohnehin nicht in den Genuss kommen wird, die Staatsangehörigkeit des Landes zu bekommen, mit dem er sich identifiziert, tauchen mit dem zweiten Eintrag beide Urteile auch im Führungszeugnis auf, was für ihn als in der Buchhaltung eines Kinderkrebshilfe-Vereins arbeitender Bürokaufmann wohl größere Probleme mit sich bringen dürfte. Das sah auch das Gericht ein, ebenso meine Hinweise, dass es sich zwar zweifelsohne um Straftaten handele, diese aber in der „guten alten Zeit“ eher als Lausbubenstreiche denn als Kriminalität begriffen worden wären. Man war sich einig, dass deswegen die Zukunft eines ansonsten netten und fleißigen jungen Mannes nicht kaputt gemacht werden müsse.
Ganz anders sah die Sache jedoch die Staatsanwaltschaft Offenbach, die ihre Zustimmung zu der angedachten Einstellung gem. § 153a StPO kategorisch verweigerte: Angesichts der schwere des Vorwurfs sowie der vorangegangenen Verurteilung komme eine Einstellung nicht in Betracht. Es folgte eine Verurteilung zu 90 Tagessätzen mit den beschriebenen Folgen.
Angesichts solcher praktischer Erfahrungen kann man vielleicht doch auf die Idee kommen, dass Strafverfolgungsbehörden in Deutschland mit völlig unterschiedlichen Maßstäben messen. Was der Bestochene angesichts dieser aktuellen Diskussion denken mag, will ich mir lieber gar nicht erst vorstellen.
Zusätzliche Nahrung erhält der Verdacht, erinnert man sich des Verfahrens gegen die Herren des ehemaligen Mannesmann-Vorstandes rund um den damaligen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Dort war es um eine Veruntreuung von rd. 60 Millionen DM gegangen. Damals kam es zu einer Einstellung gemäß § 153a StPO gegen Zahlung von 6 Millionen Euro.
Hoffentlich realisiert das Landgericht München, dass hier mehr als nur Herr Ecclestone in der Diskussion steht. Es geht um die Glaubwürdigkeit deutscher Strafjustiz.
Nur der richtige Glaube schafft Erleuchtung…
21. Juli 2014
Wenig ist innerhalb der Piratenpartei so umstritten wie das vor mittlerweile vier Jahren mit großem Bahnhof vorgestellte Abstimmungstool „Liquid Feedback“ (LQFB), das die Piraten seither in Befürworter und Gegner teilt. Beide Position werden dabei nicht selten mit einer Inbrunst vertreten, die fast schon religiöse Dimensionen einnimmt. Eine echte Glaubensfrage also.
Der Streit dreht sich in den meisten Fällen um Fragen der Delegationsmöglichkeiten, die dort geboten werden. Jeder Nutzer kann seine Stimme auf einen anderen Nutzer übertragen, dieser wiederum kann seine eigene Stimme wie auch die ihm übertragenen Stimmen auf andere Nutzer (weiter)delegieren. Dies kann wahlweise für einzelne Abstimmungen, für ganze Themengebiete und sogar generell erfolgen.
Die einzelnen Argumente für und gegen diese Methode sollen hier nicht weiter ausgeführt werden, ein Einstieg findet sich hier.
Spannend ist allerdings, was aus den Abstimmungsergebnissen gemacht wird. So verbreitete am 18. Juli 2014 Christoph Lauer via Twitter:
„Mehrheit im LV Berlin befürwortet die rechtliche Prüfung einer Abspaltung von der Bundespartei“
Er bezog sich dabei auf eine LF-Initiative, nach der der Vorstand des Landesverbandes Berlin aufgefordert wird, umfassend zu eruieren, welche Vorraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine möglichst reibungslose Herauslösung des Landesverbandes aus der Piratenpartei Deutschland im laufenden Betrieb zu gewährleisten. Diese war im Liquid Feedback mit 70 Stimmen (65%) angenommen worden. Diesen standen 8 Enthaltungen und 38 Nein-Stimmen entgegen.
Mir als Kritiker der Delegationsmöglichkeiten drängte sich im ersten Schritt nun die Frage auf, wieviele Nutzer denn nun tatsächlich an der Abstimmung teilgenommen haben. Auf meine Nachfrage nach den darin enthaltenen Stimmübertragungen erhielt ich (von dritter Seite, Christopher selbst reagierte leider nicht) die Auskunft: „Stimmgewichtsübertragung 1 x 35 – 1 x 6 – 3 x 3 – 5 x 1 – sonst ohne.“ Soll wohl heißen: Ein Nutzer hat mit 36 Stimmen (35 übertragene + seine eigene) abgestimmt, ein weiterer mit 7 (6 übertragene + seine eigene) , drei mit 4 (3 +1) und fünf mit 2 (1+1) Stimmen.
Man könnte angesichts dessen nun einfach zusammenrechnen und zu dem Ergebnis gelangen, 65 der insgesamt abgegebenen 116 Stimmen gingen de facto auf gerade einmal 10 Nutzer zurück. Das stimmt so aber nicht. Warum? Ja, genau: Warum stimmt das eigentlich nicht?
Das frage ich mich auch. Und nicht nur mich. Eine echte Antwort erhielt ich leider nicht. Stattdessen teilte man mir mit, eine Erklärung machte nur dann Sinn, wenn ich mich von meiner Interpretation von Liquid Democracy verabschieden würde. Ich sähe das alles zu linear und eindimensional, erfuhr ich. Eine Erläuterung per Mail wäre überdies nicht möglich, die könne ich aber gerne bei meinem nächsten Berlinbesuch persönlich erhalten.
Und da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor…
Was bleibt ist die Frage, warum eine bestimmte Interpretation von Liquid Democracy erforderlich ist, alleine um verstehen zu können, wie viele LF-Nutzer in diesem Fall wie viele Stimmen auf sich vereinen. Und die Erkenntnis, dass Erleuchtung und Verstehen anscheinend auch auf diesem Gebiet nur den Anhängern des wahren Glaubens vorbehalten ist…
Die Unschuldsvermutung überwunden
13. Juli 2014
Zuweilen treibt die Strafverfolgung in Deutschland bemerkenswerte Blüten. Ein ganz besonderes Schmankerl bietet aktuell wieder einmal die Justiz in Darmstadt. Diese scheint sich zunehmend auf Durchsuchungen und Beschlagnahmen zu spezialisieren und traut sich dabei auf immer schwierigeres Terrain. Nach den Servern der Piratenpartei ist es jetzt die Redaktion des Darmstädter Echos, die Ziel einer solchen Maßnahme wurde.
Abgesehen von der Delikatesse, die die Durchsuchung einer Zeitungsredaktion schon grundsätzlich mit sich bringt (die Älteren unter euch werden sich an die „Spiegel-Affäre“ erinnern), versuchte sich die Staatsanwaltschaft (StA) Darmstadt jetzt offenbar sogar daran, ohne Vorliegen einer Straftat einen Gerichtsbeschluss zu erwirken, der die Durchsuchung und gegebenenfalls sogar Beschlagnahme sämtlicher Redaktionsrechner erlauben würde.
Der eine oder andere mag nun denken: Geht doch gar nicht, eine Durchsuchung ohne dass es eine konkrete Anlass-Straftat gibt, Strafprozessordnung, Rechtsstaat, und so. In Zeiten des „Supergrundrechts auf Sicherheit“ (Ex-Bundesinnenminister Friedrich) wirken solche „pedantischen“ Einwände allerdings zunehmend kleinkariert, wo doch um uns herum vermeintlich überall massenmordende Islamisten und Kinderschänder lauern. Und um die Bekämpfung solch gravierender Verbrechen geht es in der öffentlichen Debatte schließlich nur. Oder?
Tatsächlich ging es der StA um den Kommentar eines Lesers im Forum der Online-Ausgabe des Darmstädter Echos, in dem dieser die Mühltaler Verwaltung der Unfähigkeit bezichtigte und in diesem Zusammenhang nicht nur die Häufung des Nachnamens Göbel erwähnte, sondern auch Bürgermeisterin Astrid Mannes damit in Verbindung brachte. Die rüde Kritik gipfelte in einem Zweifel an der geistigen Gesundheit der öffentlichen Verwaltung in Mühltal.
Wir reden also von einer Beleidigung, einer Straftat, bei der Staatsanwälte die Ermittlungen in aller Regel frühzeitig einstellen und die Anzeigenerstatter auf den sogenannten Privatklageweg verweisen. Oder, wie es das Oberlandesgericht Naumburg unlängst in anderem Zusammenhang ausdrückte: ein Bagatelldelikt.
Schon das bietet sicherlich hinreichend Anlass, das Vorgehen der Ermittler kritisch zu hinterfragen: Kann eine Redaktionsdurchsuchung bei solchen Bagatellsachen angemessen und damit zulässig sein? Erst im vergangenen Jahr ist ein ähnlicher Fall in Augsburg bekannt geworden, wo wegen einer Beleidigung ein Durchsuchungsbeschluss für die Redaktionsräume einer Online-Zeitung ergangen war, den dann aber das dortige Landgericht unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kassiert hatte.
Über diese Frage hinaus verdient in unserem Fall die Ansicht des kommissarischen Pressesprechers der StA Darmstadt, Noah Krüger, besondere Beachtung. Er hält die Durchsuchung einer Redaktion wegen eines Onlinekommentars nicht nur für „durchaus verhältnismäßig“. Vielmehr zitiert ihn das Darmstädter Echo:
Entscheidend sei, wie gravierend der Vorwurf ist. Zwar halte sich der Kommentar „mit seinem rüden Ton noch im Rahmen“, aber immerhin sei alles in der Öffentlichkeit zu lesen gewesen. „Und schließlich wissen wir ja nicht, ob der Beschuldigte schon einmal in Erscheinung getreten ist. Wir kannten ihn bislang nicht.“
Anders ausgedrückt:
1. Es kommt für die Frage, ob eine Redaktion durchsucht werden darf, entscheidend darauf an, wie schwer der erhobene Vorwurf wiegt.
2. Beleidigung ist ein Bagatelldelikt.
3. Der Kommentar hält sich mit seinem rüden Ton noch im Rahmen, stellt also nach Ansicht der Ermittler (noch) keine strafbare Beleidigung dar.
4. Bislang ist der Kommentierende strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
Sodann ist es also zumindest in Darmstadt nach Ansicht der Ermittlungsbehörden zulässig, eine Redaktion zu durchsuchen und gegebenenfalls die Redaktionsrechner zu beschlagnahmen.
Besonders interessant ist dabei der Nachsatz, nachdem man „schließlich (sic!) nicht wisse, ob der Beschuldigte nicht schon einmal in Erscheinung getreten ist“. Abgesehen davon, dass damit nachgerade „offiziell“ die Unschuldsvermutung für den Landgerichtsbezirk Darmstadt abeschafft wurde, klingt dies so, als sei es den Ermittlern vor allem darum gegangen, mittels der Durchsuchung erst Beweise für eine bislang nicht bekannte Straftaten zu finden, wobei der Umstand, dass der Kommentarverfasser bislang nicht auffällig geworden sei, besonders verdächtig sei.
Wie sich dies mit der – rechtstheoretisch – geltenden Unschuldsvermutung vereinbaren lässt, erschließt sich nicht. Was weit über den Fall hinausgehende Fragen zum Rechtsstaatsverständnis der gesamten Darmstädter Strafjustiz aufwirft. Denn eines darf man bei all dem nicht vergessen: Das Amtsgericht hat den Beschluss ungeachtet all dessen erlassen. Welche Art von Prüfung dieser Unterschrift unter den Beschluss vorausgegangen sein soll, wird wohl das Geheimnis des unterzeichnenden Ermittlungsrichters bleiben.
Vorratsdatenspeicherung, oder: Die Propaganda geht weiter
15. April 2014
Kaum eine Woche ist es her, dass die Überwachungs-Fetischisten vor dem europäischen Gerichtshof eine herbe Niederlage einstecken mussten. Das Gericht hat die europäische Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) als grundrechtswidrig eingestuft. Nun wird die von Justizminister Maas angeregte Diskussion um eine Verschärfung des Sexualstrafrechtes dazu missbraucht, die VDS dessen ungeachtet weiter einzufordern. Aktuell behauptet CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, die diskutierte Erweiterung der Strafbarkeit sei nutzlos, wenn nicht gleichzeitig die Fahndungsmöglichkeiten verbessert würden. Diese seien derzeit wegen fehlender Speicherfristen bei Verbindungsdaten stark begrenzt, so dass die Ermittler kaum eine Chance hätten, die Täter zu überführen, da Internet-Provider die Computerverkehrsdaten direkt wieder löschen.
Was auf den ersten Blick so überaus überzeugend klingt, entlarvt sich jedoch bei genauerer Betrachtung als reine Schein-Argumentation. So gibt es bislang keinerlei validen Erkenntnisse, dass die VDS in irgendeiner Weise die Aufklärung von Kriminalität verbessern würde. Ganz im Gegenteil weist die Kriminalitätsstatistik für die Jahre, in denen auch in Deutschland die VDS praktiziert wurde, eine eher steigende Kriminalitätsrate bei sinkender Aufklärungsquote aus als in den Jahren ohne VDS. Nun darf man bekanntlich keiner Statistik trauen, die man nicht selbst gefälscht hat. Allerdings deckt sich dieses statistische Ergebnis mit den Erkenntnissen, die man in sämtlichen Ländern gewonnen hat, in denen die VDS stattfindet: Nirgends ist die Kriminalität dadurch nennenswert gesunken oder deren Aufklärung nennenswert gestiegen.
Wie offenkundig falsch das Statement von Herrn Bosbach, es brauche die VDS um wirksam gegen Kinderpornographie und ähnlichem vorzugehen, ist, hat sich demgegenüber zuletzt wieder im viel diskutierten Fall Edathy gezeigt: Dem Bundeskriminalamt lagen die von den kanadischen Behörden übermittelten Daten der gespeicherten Telekommunikationsverbindungen vor, gleichwohl waren die Beamten zwei Jahre lang nicht in der Lage, diese Daten auszuwerten und Ermittlungen zu betreiben.
Damit erklärte damals der Leiter dieser Behörde, Jörg Ziercke, warum man nicht früher gegen den seinerzeitigen Bundestagsabgeordneten Edathy ermittelt habe. Dass im Ergebnis dann auch noch öffentlichkeitswirksam gegen einen Menschen ermittelt wurde, der sich offenbar vollkommen legal verhalten hat, zeigt ganz nebenbei die realen Gefahren einer anlasslosen Überwachung auf.
Der Fall macht eindrucksvoll und fernab ideologisch verfärbter Überwachungsfantasien deutlich, wo die wirklichen Probleme der Ermittlungsbehörden liegen: Es fehlt nicht an Überwachungsmöglichkeiten sondern schlicht und ergreifend an Personal. Genau dort wird aber seit vielen Jahren massiv gespart. Natürlich kostet Personal im Gegensatz zu einer VDS den Staat Jahr für Jahr Geld, bis hin zu Pensionszahlungen, wogegen Demgegenüber die YDS in erster Linie auf Kosten der Provider betrieben würde. Wer aber, wie etwa der frühere Bundesinnenminister Friedrich, meint, ein „Supergrundrecht“ auf Sicherheit ausmachen zu können, muss dann auch die Konsequenzen ziehen und für diese Sicherheit Geld investieren. Geld, das effektive Kriminalitätsbekämpfung ermöglicht anstatt Millionen unschuldiger Menschen anlasslos und dauerhaft zu überwachen.
Ein Quandtum Korruption?
16. Oktober 2013
Hand auf’s Herz: Wen hat die Meldung denn wirklich überrascht, dass die Familie Quandt, der große Teile von BMW gehören, der CDU eine Großspende von rund € 700.000,00 gemacht hat und das just zu der Zeit, als die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Merkel in Brüssel um Sonderregelungen bei der Abgasnorm kämpft, von denen BMW maßgeblich profitieren würde?
Wohl niemanden, man kennt das ja schon. Das letzte „Skandälchen“ dieser Art liegt nur knapp vier Jahre zurück, als bekannt wurde, dass der Hotelier Mövenpick zeitnah zu einer noch größeren Spende eine deutliche Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen erreichte. Und die älteren werden sich eventuell noch an Herrn Flick erinnern, der bis in die 80er Jahre hinein ganz selbstverständlich alle Parteien mit dem Geldköfferchen besuchte, will heißen: selbstverständlich nur die damals drei parlamentarisch vertretenen.
Aber die Zeiten ändern sich: Was damals noch für einen nicht nur medialen Aufschrei sorgte, wird heute bestenfalls achselzuckend zur Kenntnis genommen. Als die sehr spezielle Art der „Demokratiepflege“ des Herrn Flick offenbar wurde, war die öffentliche Empörung enorm. Von der „gekauften Republik“ war da die Rede und das nicht etwa vom politischen Gegner, denn es waren ja alle großen Parteien betroffen. Medien und Öffentlichkeit waren entsetzt, der Skandal ging in die Geschichte der Bundesrepublik ein als einer der größten Vertrauensverluste der Bundesbürger in die Politik.
Und heute?
Die Medien berichten über die BMW-Spende, allerdings reicht es nicht einmal zur Topmeldung. Wichtiger waren die – wenig überraschend – gescheiterten Koalitionsgespräche zwischen CDU und Grünen. Und auch die Meldung vom Sieg der deutschen Fußballelf gegen Schweden ging für viele Redationen vor. Sogar im vermeintlich politkritischen Kabarett taugt der Vorgang allenfalls für mäßige Aufregung: Da lässt Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig seinen Talk-Gast Dorothee Bär munter darüber scherzen, wie unfair es doch sei, dass ihre CSU nicht auch von den Quandts bedacht worden sei. Thema abgehakt, man diskutiert lieber über Sinn und Unsinn von Twitter.
Was aber wäre, wenn sich dieser Vorgang in einem anderen Land abgespielt hätte, vorzugsweise einem Land des ehemaligen Ostblocks? Was, wenn ein bulgarisches Unternehmen einer bulgarischen Regierungspartei fast eine dreiviertel Million Euro gezahlt hätte und der bulgarische Regierungschef dieser Partei parallel in Brüssel versuchen würde, für dieses Unternehmen vorteilhafte Regelungen auszuhandeln? Bulgarien wird regelmäßig wegen seiner weit verbreiteten Korruption gerügt, gerade von deutschen Politikern und dem journalistischen Polit-Boulevard.
Deutschland hingegen gibt vor, den Kampf gegen Korruption quasi weltweit aufgenommen zu haben. Bis vor etwa 15 Jahren konnten deutsche Unternehmen Schmiergeldzahlungen im Ausland noch steuerlich absetzen. Im Zuge der in Deutschland vorangetriebenen Korruptionsbekämpfung hat man dies aber geändert. Solche Zahlungen können seither nicht nur nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden, sie werden zudem strafrechtlich verfolgt. Einige verurteilte Siemens-Manager können ein Lied davon singen. Soweit, wenn ausländische Staaten oder Unternehmen von Zuwendungen profitieren.
Nun erleben wir, dass dies offenbar nur für Zahlungen deutschen Unternehmen im Ausland gilt. Zuwendungen an deutsche Politiker, von denen man sich etwas erwartet erhofft, erfahren demgegenüber eine nachgerade heilige Polit-Kommunion: Mit Gutschrift auf dem Konto der jeweils bedachten Partei verwandelt der damit befasste Schatzmeister das profane Schmiergeld in eine edle Spende, welche sodann, reingewaschen von allem irdisch-sündhaften Makel und Strafbarkeit, sogar wieder steuermindernd geltend gemacht werden kann – und auf diese Weise letztlich sogar noch von der Gemeinschaft der Steuerzahler getragen wird.
Da der Fisch bekanntlich vom Kopf stinkt, wird klar, dass in Deutschland eine ernst zu nehmende Korruptionsbekämpfung keine Chance haben kann. Zumal Deutschland als einziges europäisches Land und als eines von weniger als einem Dutzend Ländern weltweit sich hartnäckig weigert, die Regeln zur Abgeordnetenbestechung auf UN-Niveau zu bringen. Was nichts anderes heißt, als dass Deutschland aufgrund seiner Rechtslage ein Eldorado für Korruption und Bestechlichkeit ist. Weil vieles von dem, was in nahezu allen anderen Ländern der Welt mit Strafe bedroht ist, bei uns als legal angesehen wird. Und so lange es rechtlich für alle Beteiligten völlig unbedenklich ist, auf der einen Seite Parteien direkt und gezielt mit Spenden zu unterstützen und auf der anderen Seite sich sodann für die Interessen dieser Spender zielgerichtet einzusetzen, wird sich hieran auch nichts ändern.
Soweit SPD und Grüne nun aufschreien und eine Begrenzung der zulässigen Spendenhöhe fordern, kann man dies kaum ernst nehmen, weil sie offensichtlich das beschriebene Grundübel damit nicht anpacken. Das vielleicht auch gar nicht wollen? Es wäre im konkreten Fall für die Familie Quandt doch ein Leichtes, den Betrag in kleinere Häppchen auf noch mehr Köpfe aufzuteilen. Das wissen auch SPD und Grüne und das macht deutlich, dass es ihnen kaum um die Sache gehen kann. Warum sonst haben sie das Problem in ihrer Regierungszeit nicht angepackt? Es ist seit der Flick-Affäre bekannt.
Einen Weg aus dem Dilemma verspricht eine spannende Idee, die aktuell von einigen Piraten diskutiert wird: Spenden sollten nicht mehr direkt an eine Partei gerichtet werden sondern in den Topf kommen, aus dem auch die staatliche Parteienfinanzierung erfolgt. Das würde interessengezielte Spenden unmöglich machen, weil alle Parteien an jeder Spende beteiligt würden. Aber vermutlich wäre dieser Weg viel zu effektiv, als dass ihn irgendeine der Altparteien ernsthaft angehen würde. Denn nochmal Hand auf’s Herz: Wir wissen doch alle, dass damit Zahl und Höhe der Parteispenden deutlich zurückgehen würden, oder?
Das wiederum sollte uns zu denken geben.
Update:
Die steuerliche Geltendmachung betrifft natürlich nur einen kleinen Teil des Geldes. Insoweit ist der Beitrag an diesem Punkt missverständlich und das also hier klargestellt. Vielen Dank an Heike für den Hinweis!
Vielen Dank!
23. September 2013
Die Landtagswahl in Hessen ist gelaufen, die Ergebnisse auch der Wahlkreise und Gemeinden liegen vor und so beginnt der Morgen eines Kandidaten mit Zahlen und Statistiken. Besonders spannend ist natürlich der eigene Wahlkreis. Und da dort die Zahlen über dem einfach nur enttäuschenden Landesergebnis liegen, bricht dann doch etwas Sonne durch den wolkigen Nachwahl-Morgen.
Bemerkenswert schon auf den ersten Blick: 1.935 Wähler (3%) haben mir als Direktkandidat ihre Stimme gegeben, nur 1.391 (2,1%) haben mit der Zweitstimme die Piratenpartei gewählt. Spontan könnte man meinen, das läge an mir. Ein Blick auch in andere Wahlkreise zeigt aber, dass dies ein weit verbreitetes Phänomen ist: Die meisten unserer Direktkandidaten haben klar besser abgeschnitten als die Partei in ihrem Wahlkreis.
Schon beginnen intern die Spekulationen über die Gründe: War es die Unzufriedenheit mit der Landesliste, die zum Ausdruck gebracht wurde? Wollte man die wichtige Zweitstimme angesichts der Prognosen nicht „verschenken“? Wir werden es vermutlich nicht erfahren, zumal jeder einzelne Wähler seine eigenen Gründe gehabt haben wird.
Heute ist erst einmal nur eines wichtig: Jedem Wähler, der sein Kreuz in meinem Wahlkreis 41 mit Erst- und/oder Zweitstimme bei den Piraten gemacht hat, sei an dieser Stelle ein herzliches
DANKESCHÖN!
Aufruf: Kein Fußbreit in Hanau!
10. September 2013
Nachdem die NPD bereits vergangene Woche – glücklicherweise erfolglos – versucht hat, ihre menschenverachtenden Parolen in Hanau zu schreien, haben sie für den morgigen Mittwoch, 11.09.2013, in der Zeit von 15:00 bis 20:00 Uhr den nächsten Anlauf angekündigt.
Ich rufe hiermit alle Menschen im Main-Kinzig-Kreis auf, sich dem erneut entgegenzustellen!
Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky hat zu diesem Zweck zu einer weiteren Gegendemonstration aufgerufen. Diesem Aufruf schließe ich mich ausdrücklich an!
Alle demokratischen Kräfte sind gefordert, dieser Partei entgegenzutreten, die Menschenwürde, Meinungsfreiheit und Freiheit insgesamt von der Herkunft der Menschen abhängig machen will. Diesem unseligen Gedankengut darf in unserer Gesellschaft kein Fußbreit Boden überlassen werden!
Bitte verbreitet diesen Aufruf großflächig weiter und helft Hanau.
Vielen Dank!